Ein ernstes Wort?
Eine Führungskraft eines großen Dienstleistungsunternehmens hatte mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen: ein großes, schnell wachsendes Team (mehr als 20 Personen), Mitarbeiter*innen an unterschiedlichen Standorten, die dort teilweise auch Arbeiten für anderen Dienststellen ausführten.
Neben anderen Führungsthemen wie Motivation, Delegation, klare Kommunikation ging es auch um eine Mitarbeiterin, die sich scheinbar illoyal verhielt, sich kaum an Meetings beteiligte, schnippisch abwehrende Antworten gab, wenn es um neue Aufgabenzuteilung ging und mehr Zeit als vereinbart in der Nachbarabteilung zubrachte. Dort war sie fröhlich, freundlich, verbindlich. Das jährliche Mitarbeiter*innen-Gespräch stand bevor, die Coaching-Klientin wollte ein „ernstes Wort“ mit besagter Mitarbeiterin wechseln, wollte sie maßregeln und ihr sagen, dass es so nicht weiter gehen konnte; wollte ihrem Ärger und ihrer Enttäuschung Luft machen und mit Strenge reagieren.
Im Coaching regte ich einen Perspektivenwechsel an: wie erlebt sich die Mitarbeiterin in jener Nachbar-Abteilung, in der sie sich als willkommen wahrnimmt, wie könnte sie sich in ihrer Stamm-Abteilung fühlen, in der ihr viel Druck, Kühle und Strenge entgegen schlägt? Vielleicht würde sie anders reagieren, wenn sie auch in der eigenen Abteilung mehr Anerkennung und Wertschätzung für Ihr Bemühen bekommt, wenn sie sich auch hier akzeptiert fühlt?
So wurde aus einem kritisch-strengen Mitarbeiterinnen-Gespräch ein Neutrales und Wertschätzendes, in dem beide Seiten ihre Versäumnisse in der Vergangenheit einräumten, beide einen Strich unter das letzte Jahr setzten und einen Neustart versuchen wollten. Interessanterweise war die „illoyale“ Mitarbeiterin plötzlich sehr loyal, übernahm gerne Aufgaben, engagierte sich und war sehr bemüht, mit ihrer Vorgesetzten gut zusammen zu arbeiten.